… so muss man es wirklich nennen: Fouras, ein kleiner Ort nur wenige Kilometer südlich von La Rochelle und westlich von Rochefort auf einem kleinen Zipfel Land gelegen, der in die Bucht zwischen der Ile de Oleron im Westen, der Charente-Mündung im Süden und dem Festland im Osten ragt. Ein Ort, den ich rein von einem Blick auf die Karte her niemals angesteuert hätte: So nah an einer großen Hafenstadt, das kann unmöglich idyllisch sein. Kann es doch. Frankreich überrascht immer wieder mit seinen faszinierenden Landschaften, seinen pittoresken Ortschaften und diesem so seltsam entschleunigt erscheinenden Lebensgefühl, das einem in diesen Ortschaften unweigerlich befällt. Vielleicht liegt es daran, dass dort nicht alles reglementiert, zweckoptimiert und repräsentativ sein muss. Schmucke kleine Häuser und Anwesen prägen das Bild, nicht selten mit atemberaubender Aussicht. Schiere Größe ist hier kein Maßstab für Luxus und erst recht kein Selbstzweck. Das Privileg, das Leben genießen zu können, das ist der wahre Luxus, und dafür braucht es die richtige Lebenseinstellung, und nicht mehr Geld als für das Nötigste. Da lässt man hierzulande gerne mal fünfe gerade sein.

Über das Leben in Frankreich haben aber schon viele und dazu literarisch begnadetere oder Menschen geschrieben, so dass ich mich mit solcherlei Schilderungen nicht weiter befassen möchte. Ich mag auch nichts verallgemeinern, denn sicher haben die Bewohner der Vorstädte französischer Metropolen da ein ganz anderes Bild. Oder um es mit den Worten des berühmten Ruhrpott-Philosophen Jochen Malmsheimer zu sagen: Es ist unerheblich, ob man am Sonnenwind durch eigene Protuberanzen teilnimmt. Eine Feststellung, die natürlich auch den Sinn des Bloggens und speziell des Reisebloggens in Frage stellt. Was kann man in einer bereits vollständig erkundeten Welt mit seiner eigenen, begrenzten Wahrnehmung beitragen, das über all die Erkenntnisse und Erfahrungen hinausginge, die schon über einen Ort gesammelt und publiziert wurden? Wohl nur das rein Subjektive.

Nun, wir sind also in Fouras, eine glückliche Fügung, aber geplant war das beim besten Willen nicht. Und das kam so: Eigentlich wollten wir ja nach Portugal, quer durch Frankreich und Spanien. Nachdem wir die Hocheifel und Luxemburg (inklusive Tankstop) hinter uns gelassen hatten, schlugen wir den Weg Richtung Dijon ein, weitere Etappenziele sollten Clermont-Ferrant, Limoges Bordeaux und schließlich St. Jean-de-Luz sein, kurz vor der spanischen Grenze. Metz hatten wir bald hinter uns gelassen, auch Nancy rückte zügig näher. Recht bald aber, nachdem wir letztere Stadt passiert hatten, beschlossen wir zu rasten. Es war bereits gegen 21 Uhr, und wir hatten uns vorgenommen, nachts nicht zu fahren. So landeten wir schließlich auf einem kleinen aber gut frequentierten Rastplatz, auf dem wir übernachten wollten – gerade noch rechtzeitig, wie sich herausstellte, denn kurz nach uns versuchte auch ein gutes Dutzend großer Lastwagen ebenfalls einen Platz für die Nacht zu ergattern. Dabei belegten sie auch die eigentlich für PKW vorgesehenen Flächen bis auf den letzten Zentimeter. Wären wir nur eine halbe Stunde später auf den Platz gefahren, wäre es uns ergangen wie den folgenden Trucks: Wir hätten weiterfahren müssen. So aber ließen wir es uns gut gehen, bauten Campingtisch uns Stühle auf und machten uns ein paar Stullen zum Abendbrot.

 

Die Nacht verlief ruhig, doch der nächste Tag wartete mit einer kleinen Überraschung auf. Während wir noch unseren Campingbus wieder startbereit machten, hielt gegenüber ein großer Pickup mit einem großen roten Kastenanhänger. Der Fahrer wollte aber mitnichten ein Päuschen machen, sondern er kam zum Arbeiten auf den Rastplatz. Schon bald entpuppte sich der Anhänger als Fastfood-Verkaufstand, wo Pommes, Hotdogs, Burger und dergleichen angeboten wurden. Wir wollten aber nicht mehr warten, bis der Stand betriebsbereit war, und außerdem stand uns am Vormittag noch nicht der Sinn nach solchem Essen.

Also benutzten wir noch einmal die Toilette des Rastplatzes, wünschten dem freundlichen Frittenmann einen schönen und erfolgreichen Tag, dann ging es weiter auf Tour. An dieser Stelle muss ich mal ein paar Worte über die Toilettentechnik verlieren, die wir auf dieser Raststätte vorgefunden haben. Es handelte sich um eine vollökologische Anlage mit angeschlossenem Komposter, ohne Wasser und – voll im Trend – genderneutral, sprich, ein Ort für jedwedes Geschlecht und sämtliche Stufen und Ausprägungen dazwischen. Toilettenbenutzer – so der Plan, sollten nach verrichtetem Geschäft mittels eines per Fußpedal angetriebenen Transportbandes ihre Hinterlassenschaft auf den – zum Glück in einem abgeschlossenen Teil des Toilettenhäuschens befindlichen Komposthaufen hinter der Toilette befördern. Soweit so gut. Das Problem mit solchen Anlagen ist aber zweifach gelagert. Zum ersten erfordert es, dass sich alle Benutzer an die Regeln halten. Das dürfte an einer Autobahn mit viel Transitverkehr – anders als vielleicht in einer Ökokommune – nicht unbedingt gegeben sein, wenn schon eine normale öffentliche Toilette in einer deutschen Innenstadt wenige Stunden nach Eröffnung drastisch an Attraktivität verliert. Zum zweiten bedingt die Einbindung spezialisierter Fauna zur Substratumwandlung eine gewisse Geruchsentwicklung, die durch die offene Bauweise nicht unbedingt gemindert wird. Das wiederum führt dazu, das sich auch nicht geladene Gäste in Form von Heerscharen von Scheißhausfliegen an den gut gedeckten Tisch setzen möchten. Nun ja. Das viele Rastplatzbesucher unter solchen Umständen ihr Geschäft lieber in der freien Botanik verrichten, ist verständlich. Und irgendwie auch ökologisch. Zum Glück sind uns solcherlei „sanitäre“ Anlagen ansonsten erspart geblieben, auch wenn sich die Benutzung von Toilettenkonstruktionen hierzulande nicht immer sofort erschließt, wie erfahrene Frankreichreisende sicher bestätigen werden.

An diesem Punkt meiner Schilderung angekommen mahnt mich die Kaschubin, dass Blogtexte nicht zu lang sein sollten. Ich spare mir nun also die folgenden rund 800 Kilometer inklusive einer weiteren weitgehend ereignislosen Raststätten-Übernachtung und komme zu dem Punkt irgendwo ssüdwestlich von Poiters, an dem die Kaschubin beschließt, dass dem Fahren gen Süden (wir hatten vor bis Bordeaux zu kommen) vorerst Genüge getan und nun Meer angesagt sei.

Vermutlich entstammte dieser Entschluss einer Analyse des Erdmagnetfeldes, einer Fähigkeit, die alle Kaschuben besitzen. Nach kurzem Auspendeln über der Landkarte und der Konsultation eines Campingführers lag das neue Tagesziel bald fest: Fouras. Und hier sind wir.

4 Kommentare

  1. Mandraguas
    11. Juli 2016

    *schmunzel
    „mahnt mich die Kaschubin, dass Blogtexte nicht zu lang sein sollten“
    — und aus voller Rücksicht daraus resultierend stellt die transsilvanische Wanderratte jetzt Fotos im Pixelformat ein, damit es alles noch auf eine Seite passt, oder watt?! ;O)

  2. Mandraguas
    11. Juli 2016

    Ok, ich nehm meinen Kommentar zurück … lag wohl an meinem Browser hier in der Walachei.
    Nur fünf mal aktualisiert und schon sind die Bilder erkennbar — Lupe zurückleg *hust
    Äh 🙂 ja, schön :))) *lach

    • Heike
      11. Juli 2016

      Jaja, die Walachei. Lag die nicht irgendwo in der Nähe von Kaschubien? Das würde so manches erklären!

  3. Ulrich Kno
    14. Juli 2016

    Endlich mal was ich über Klos schon immer wissen wollte . Super, nicht immer das alltägliche von der Thomse