DER PHILOSOPH

Helmut Nagel gab mir mal ein Buch mit vielen vollgeschriebenen Seiten. Alles in kleiner Schrift, eng zusammen und schwierig zu entziffern. Meistens liegt er in seinem Bett, das Buch über ihm und mit einem Bleistift schreibt er seine Gedanken nieder. Dabei fällt ihm schon mal das Buch runter, die Finger verkrampfen oder die Mine des Bleistifts bricht ab.

Ich war so fasziniert von dem, was ich da las, dass ich alle Seiten kopiert und abgeschrieben habe. Einige Einträge sind schon Jahrzehnte alt. Aber lesen Sie selbst:

Alles tun was schwer fällt,
braucht trotzdem einen Anfang und der ist jetzt.
Wenn man es so sehen möchte, bin ich mein eigener Betreuer „ehrenamtlich“.
Eigentlich war der Wunsch schon immer da Szenen,
erlebte Sketsche und Geschehnisse aus dem Leben,
das man spürt und sieht aufzuschreiben.
Heute war z.B. mal wieder so ein Tag, an dem ich einen Ort aufsuche,
an dem ich etwas finde, von dem ich nicht weiß was es ist,
dass er mir einen Halt und Lebensfreude vermittelt.
Dabei ist es oberflächlich gesehen und damit rational sehr einfach.
Ich erkläre es mir in Anbetracht von angelesenen Dingen mit der Tatsache,
dass ich dort auf Menschen treffe,
deren Verhalten mir gegenüber mein Ich aufbauen
und es mir so ermöglicht,
zumindest kurzfristig,
zu leben.

Leben
1 Sekunde überlebt,
1 Minute überlebt,
1 Stunde überlebt.
Tag überlebt
gesehen viel, gehört viel
das Leben
gespürt nichts
der Tag ist vorbei, vorbei die Chance
den Duft des Tages auf deinen Lippen zu empfinden
das schimpfen und singen der Vögel
durchs Ohr das Herz erreichen zu lassen.
Hast Du das Lachen auf menschlichen Gesichtern gesehen
in ihren Augen
von ihren Lippen?
Etwas kostbares seltenes Gut ist dieses nur geworden
umso mehr für jeden von uns.
Der Tag ist vorbei und nichts ist von ihm geblieben
außer die Hoffnung auf morgen
und dieses morgen zu bewundern.
Was ist es
Was ist es nur das uns treibt
mal hierhin, mal dorthin
dem Geist unseres Denkens folgend
Ich hasse sie nicht wirklich
Sie, die ihre Arbeit tun
Ich hasse dieses System dem Sie sich anpassen.
Sie haben immer Recht
wo Recht nicht gleich Recht ist.
Ich kenne kein Mittel mich dagegen zu wehren.
Ich habe etwas erreicht
Ich habe Dinge verändert
Ich bin nicht zufrieden
Ich bin manchmal stolz
Jeder hat von Jedem seinen Nutzen

Wenn ich immer nur so wäre, wie ich denke, dass es die Anderen doch sein sollten, wäre ich dann weiter, reicher, ärmer? Zufrieden?

Es gibt Tage wie heute, an denen es doch noch Positives gibt. Es gibt manchmal Menschen, deren Dasein einem positives gibt. Warum sind sie nur so selten.

Ich habe sie ständig vor Augen, die Werte, die ich sagen möchte und doch verzerren sich diese, sie ändern wortlos ihren Laut.

Und nun liege ich hier, nehme seit langem einmal wieder dieses Buch in die Hand und die Gedanken, die Bilder, die Szenen sie bedrängen mein weggelegtes schreiben, mein Nichtstun. Eigentlich bin ich in diesen Minuten des Schreibens zufrieden, denn ich tue etwas Notwendiges. Es ist oft schwer sich mitzuteilen, wenn man sein selbst knebelt, seine Umwelt inLektüren einteilt und fast jedem misstraut. Und trotzdem gibt es immer wieder Momente der Freude, die zum Beispiel Ausdruck findet in der Erfindung der Gemüse-Pommes oder anderen erklärbaren Besonderheiten. Eigentlich sind oft das einzig anregende „Gespräche mit Kindern“, denn sie können noch ehrlich sein. Und nun sind meine Gedanken wieder auf dem Boden und eigentlich sollten die Zeilen ja lachen und meine guten Gedanken für später aufheben.

Warum habe ich mir immer nur so oft weh getan. Wann immer es war, das es mir zugelegt wurde habe ich es zugelassen und nichts befreit mich davon. Ich habe noch nicht gelitten, diese Ohnmacht gespürt wie jetzt. Es begleitet mein Leben und sogar mein Tun wie ein unsichtbarer Nebel.